Der Traditionsclub aus dem Ruhrgebiet zeigt, wie man aus einem schwarzen Stück Stoff ein begehrliches Kult-Accessoire macht. Storytelling macht´s möglich.
Das Ruhrgebiet lag mir, dem gebürtigen Münsterländer, räumlich wie kulturell eher fern. Und doch hatte ich von Kindesbeinen an mit dem Pott zu tun. Denn irgendwann schlich sich eine Wendung wie „Hasse mal ´n Heiermann“ in meinen Sprachschatz. Oder „Ich krich die Pimpernellen“, „Hömma auf mitte Fiesematenten“ oder „Jetz is aber Schicht im Schacht!“. Beliebt war auch ein Spruch, der den Bezug zum Ruhrpott dann allerdings deutlich offenbarte: „Mutta, hol mich vonne Zeche, ich kann dat Schwatte nich mehr sehn“.
Nun lässt sich nicht genau festlegen, wer der Sprecher dieses Satzes ist. Der Begriff „Mutta“ lässt vermuten, hier tue der Sohn einer Ruhrgebietsmama seinen Stoßseufzer. Aber dieser Schluss ist voreilig. Denn auch erwachsene Männer verwandeln die ihnen angetraute Frau nur allzu leicht in eine „Mutta“. Meistens dann, wenn der gröbste Liebesrausch verflogen ist. Aber unabhängig, ob Sohn oder Vater: Im Ruhrgebiet war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass beide dort ihre Brötchen verdienten, wo dat Schwatte zuhause war: auffe Zeche.
Die Kohle verwandelte sich zum Identitätsanker für eine ganze Region. Das macht sie so wertvoll für das Marketing
Dat Schwatte ist das, wonach es klingt: dunkel, dreckig, ungesund irgendwie. Also alles in allem etwas, das man meiden sollte. Man ließ sich nur deshalb darauf ein, weil sich damit die eigene Familie ernähren ließ. Ansonsten aber befreiten sich die Kumpels, sobald sie übertage waren, von all dem Dreck. In der sogenannten Waschkaue entledigten sie sich ihrer verschmutzten Kleidung, duschten oder wuschen sich und zogen ihre Alltagskleider an. Danach gingen sie ihres Wegs – selbstverständlich nicht ohne noch eben die Kneipe umme Ecke aufzusuchen. Immerhin galt es, den in der Kehle hängenden Staub mit einigen kräftigen Schlucken Bier hinunterzuspülen. So standen Vater wie Sohn am Ende ziemlich sauber da – innerlich wie äußerlich.
Nun, diese Zeiten sind vergangen. Bereits in den 1960er Jahren begann das große Zechensterben. 2018 schloss in Bottrop die letzte Ruhrgebietszeche ihre Pforten. Und nun, nachdem sich der Ruhrpott endgültig von dem Schwatten verabschiedet hat, feiert es fröhliche Auferstehung. Je mehr die Kohle aus dem Lebensalltag der Menschen verschwand, desto mehr entwickelte sie sich zum positiven Markenzeichen. Das Motto: Ruhrpott ist Kohle ist Ruhrpott. Eine Gleichung, die auf absehbare Zeit Geltung hat. Und dies, obwohl sie die wahren Verhältnisse heute nicht wirklich mehr trifft.
Storytelling überträgt das erdige, rauhe Image des Ruhrgebiets auf ein Trikot und pusht dessen ideellen Wert
Dieses Mindset hat sich nun Borussia Dortmund zunutze gemacht. Es hat ein Sondertrikot aufgelegt, das nahezu vollkommen schwarz ist. Zudem weist es eine Musterung auf, die an lose übereinander liegende Kohle erinnert. Auf einer Landingpage bringt der BVB dieses Design mit der allseits bekannten industriellen Tradition des Ruhrgebiets zusammen. Zudem wird das Trikot mitsamt einer kleinen Box versandt, die ein Stück Kohle enthält. Mit diesem Marketing-Coup hat der Verein einen Hype entfacht, der seinesgleichen sucht. Innerhalb nur weniger Tage war die Erstauflage vergriffen. Zeitweise warteten mehr als 400.000 Menschen in der Warteschleife des Internetshops, um eines der heiß begehrten Stofffetzen zu ergattern. Umgehend beeilten sich die Verantwortlichen zu versichern, dass eine weitere Auflage in Planung sei.
Es handelt sich um ein geniales Stück Storytelling. Hierbei muss die Geschichte des Bergbaus nicht in Gänze erzählt werden, weil sie uns allen noch in den Köpfen steckt. Es sind nur wenige Trigger erforderlich, um das erdige, rauhe Image des Ruhrgebiets mitsamt seiner Bergbautradition ins Bewusstsein zu rufen, wie dieser Text zeigt:
„Weil die Glut hier nie erlischt
Für was brennst Du? Was ist Deine Leidenschaft? Für uns ist es unser Traditionsverein, mit dem wir so viele emotionale Momente verbinden.
Kohle und Stahl sind gegangen. Doch diese Stadt wird die Menschen dieser Zeit nie vergessen. Das Feuer, das ihre Begeisterung für Borussia Dortmund ausgelöst hat, entfacht sich immer wieder aufs Neue und verbindet die Stadt, die Fans, den Verein – über Generationen hinweg auf unserem Weg in die Zukunft.“
Dieses Image verbindet sich mit dem aktuellen Sondertrikot des BVB. Im selben Moment verwandelt sich ein schwarzes Stück Stoff in ein Kult-Accessoire von hohem ideellen Wert, das Begehrlichkeiten weckt – wie die überwältigende Reaktion der Fans zeigt.
Sie möchten Ihr Angebot auch mit Hilfe von Storytelling stärker emotionalisieren? Ein Anruf unter 0173 288 72 82 genügt. Ich berate Sie gerne!